Zitiervorschlag: Wollweber, LRZ 2024, Rn. 127, [●], www.lrz.legal/2024Rn127.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2024Rn127
Der Beitrag stellt typische Haftungsrisiken für Berater bei der steuerlichen Begleitung von Unternehmensumstrukturierungen dar und zeigt Lösungsansätze auf. Er beleuchtet dabei die Grunderwerbsteuer, die Schenkungsteuer und die Einbringung nach den §§ 20 ff. UmwStG.
Die Umstrukturierung von Unternehmen ist eine komplexe Herausforderung, die eine Vielzahl rechtlicher, finanzieller und steuerlicher Aspekte nach sich zieht. Aufgabe der steuerlichen Berater im Rahmen von Umstrukturierungen ist es in der Regel, diese professionell zu planen, steuerliche Risiken zu benennen und nach Möglichkeit zu minimieren und eine reibungslose Umsetzung zu gewährleisten. Der nachfolgende Beitrag untersucht ausgewählte Haftungsrisiken, denen Steuerberater in der Umstrukturierungsberatung ausgesetzt sind, und beleuchtet die rechtlichen und praktischen Aspekte, die bei der Bewertung und Vermeidung von Risiken relevant sind.
Viel zu häufig beschränken sich Planungen in der Umstrukturierung auf ertragsteuerliche Fragestellungen. Dabei dürfen die sonstigen Aufwand- und Verkehrsteuern, insbesondere die Grunderwerbsteuer, nicht außer Acht gelassen werden.
Hier besteht insbesondere das Risiko einer doppelten Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen an Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz, bei denen das Erfüllungsgeschäft („Closing“) dem Verpflichtungsgeschäft („Signing“) zeitlich nachfolgt.
Beispiel: Bei dem Erwerb von 100% der Anteile einer immobilienbesitzenden Gesellschaft kommt es im ersten Schritt durch die schuldrechtliche Verpflichtung zur Übernahme der Anteile zu einer Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Erfolgt zeitlich nachgelagert das Vollzugsgeschäft („Closing) – bspw. weil die Abtretung der Anteile aufschiebend bedingt durch die Kaufpreiszahlung erfolgt -, wird nach hM zusätzlich der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht.
Die Doppelbesteuerung kann in diesen Fällen grundsätzlich über § 16 Abs. 4a GrEStG vermieden werden. Eine Rückabwicklung der doppelten Grunderwerbsteuer setzt allerdings gem. § 16 Abs. 5 GrEStG voraus, dass für beide Steuertatbestände, die durch Signing und Closing ausgelöst wurden, binnen der in den §§ 18, 19 GrEStG bestimmten 2-Wochenfristen entweder vom Notar oder den am Vertrag Beteiligten der Erwerbsvorgang vollständig gegenüber dem zuständigen Finanzamt angezeigt wird. Erfolgt diese Anzeige nicht, verspätet, unvollständig oder gegenüber dem unzuständigen Finanzamt, verbleibt es ggf. bei der doppelten Grunderwerbsteuer.
In der Umstrukturierungsplanung mit Grundstücken sind daher die Anzeigepflichten des § 19 GrEStG sorgsam zu prüfen und deren Einhaltung frühzeitig sicherzustellen. Die wechselseitige Pflicht der Parteien zur Mitwirkung an einer solchen Anzeige sollte in der Regel auch über vertragliche Handlungspflichten abgesichert werden.
In der Umstrukturierung von Gesellschaften, die inländischen Grundbesitz halten, droht zudem aufgrund der aktuellen Erlasslage die Entstehung von doppelter oder gar mehrfacher Grunderwerbsteuer.
Mit gleichlautenden Erlassen vom 16.10.2023 (S 4501-10-2023-21792-VA6, BStBl. I 2023, 1872, sog. Zurechnungserlass) haben die obersten Finanzbehörden der Länder vor dem Hintergrund aktueller BFH-Rechtsprechung zur Zurechnung von Grundstücken für die Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a-3a GrEStG umfassend Stellung genommen. Im Ergebnis soll eine doppelte Zurechnung sowohl zur „grundbesitzenden Gesellschaft“ als auch zur einer „anderen Gesellschaft“ möglich sein, was zur Doppel- oder Mehrfacherhebung der Steuer führen kann. Der Bundesfinanzhof hatte zuvor in zwei Urteilen seine bisherige Rechtsprechung ergänzt und allgemeine Grundsätze zur Beurteilung des grunderwerbsteuerlichen Begriffs des „gehören“ aufgestellt.1 Dieser sei weder zivilrechtlich noch allgemein-steuerrechtlich nach § 39 AO auszulegen, sondern rein grunderwerbsteuerlich. Die daraus resultierenden Grundsätze seien insbesondere auch bei mehrstöckigen Beteiligungen anzuwenden. Im Ergebnis sei eine Mehrfachzuweisung abzulehnen.
Auf Grundlage des Erlasses soll es im Rahmen der Umstrukturierung nunmehr zu Situationen kommen, in denen ein und dasselbe Grundstück für Zwecke der Grunderwerbsteuer doppelt oder sogar mehrfach verschiedenen Gesellschaften zugerechnet wird.
Beispiel: Eine Holding-GmbH kauft 100% der Anteile der grundstückshaltenden Immo-GmbH. Der Ankauf (Signing,1. Teilakt) ist zunächst steuerbar bei der Holding-GmbH (§ 1 Abs. 3 GrEStG). Ein nachfolgender Übergang der Anteile (Closing, 2. Teilakt) lässt die Besteuerung bei der Holding-GmbH zwar wieder entfallen (§ 16 Abs. 4a GrEStG), ändert nach den Ländererlassen aber nichts an der neu begründeten Zurechnung. Neben der Immo-GmbH wird das Grundstück fortan auch der Holding-GmbH zugerechnet. Erwirbt sodann die Erwerb-GmbH 100% der Anteile an der Holding-GmbH, erwirbt sie in der grunderwerbsteuerlichen Erlasslogik in einem Rechtsakt zwei grundstückshaltende Gesellschaften (Holding- und Immo-GmbH); es wird hierdurch zweimal Grunderwerbsteuer ausgelöst.
Kommt es in beschriebener Weise zu einer doppelten oder mehrfachen Zurechnung eines Grundstücks, kann es – so jedenfalls die Ansicht der Finanzverwaltung – auch durch einen einzelnen Übertragungsakt (im Beispiel: 3. Teilakt: Übertragung von 100% der Anteile an der Holding-GmbH auf die Erwerbs-GmbH) zur doppelten oder mehrfachen Entstehung von Grunderwerbsteuer kommen. Die Finanzverwaltung geht allerdings davon aus, dass eine Mehrfach-Entstehung der Grunderwerbsteuer über § 16 Abs. 4a, Abs. 5 GrEStG auf Antrag wieder auf eine einzige verbleibende Steuerpflicht reduziert werden kann.
Aber Achtung: Diese Aufhebung kann gem. § 16 Abs. 5 GrEStG nur verlangt werden, wenn – hier liegt die Gefahr in der Praxis –die zweiwöchigen Anzeigepflichten nach §§ 18, 19 GrEStG gewahrt bleiben. Die Frist von zwei Wochen kann grundsätzlich verlängert werden, allerdings nicht mehr, nachdem sie bereits abgelaufen ist.2 Die Anzeige gegenüber dem unzuständigen Finanzamt ist nicht ausreichend.3
Typische Fehlerquellen bei der Umstrukturierung können sich zudem auch bei der Schenkungsteuer ergeben.
Insbesondere die fehlende Simultanität der schenkweisen Übertragung von Mitunternehmeranteil und Sonderbetriebsvermögen führt immer wieder dazu, dass das Finanzamt die Privilegierung der §§ 13a, 13b ErbStG jedenfalls für das Sonderbetriebsvermögen versagt.
Beispiel: A ist alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co. KG. Zugleich überlässt er das in seinem Eigentum stehende Grundstück an die KG (Sonderbetriebsvermögen I). Nunmehr schenkt er das Sonderbetriebsvermögen und die KG-Beteiligung an seinen Sohn. Der notariell beurkundete Schenkungsvertrag vom 30.12.2013 sieht vor, dass das wirtschaftliche Eigentum am KG-Anteil sowie Nutzen und Lasten am Sonderbetriebsvermögen einheitlich zum 1.1.2014 übergehen sollen, allerdings der Kommanditanteil aufschiebend bedingt durch die Eintragung der Sonderrechtsnachfolge in den KG-Anteil im Handelsregister. Die Eintragung erfolgt am 14.1.2014.
Der BFH hat mit Urteil vom 17. Juni 20204 hierzu entschieden. Bezogen auf das Grundstück entsteht die Schenkungsteuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in dem Zeitpunkt, in dem die Auflassung beurkundet worden ist, der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat und der Beschenkte nach den getroffenen Vereinbarungen von der Eintragungsbewilligung Gebrauch machen darf.
Folglich ist das Grundstück schenkungsteuerlich am 30.12.2013 übergegangen. Die Kommanditbeteiligung und damit die Mitunternehmerstellung ist schenkungsteuerlich erst am 14.1.2014 mit der Eintragung im Handelsregister übergegangen. Die sachlichen Steuerbefreiungen nach §§ 13a, 13b ErbStG für das Grundstück können nach Auffassung des Finanzamts nicht gewährt werden, da der Beschenkte im Zeitpunkt der Ausführung dieser Zuwendung noch kein Mitunternehmer war und das Grundstück zudem nicht simultan mit dem geschenkten Kommanditanteil übertragen wurde.
Ein Lösungsansatz ist die Übergang des Kommanditanteils mit sofortiger Wirkung, d.h. ohne aufschiebende Bedingung der Umtragung im Handelsregister. Bis Ende 2023 drohte hier die Haftung für Verbindlichkeiten der KG durch den Beschenkten (§ 176 Abs. 2 HGB a.F.); dieses Haftungsrisiko besteht aufgrund der Neufassung des § 176 Abs. 2 HGB durch das MoPeG ab dem 1.1.2024 für bestehende Kommanditanteile nunmehr nicht mehr („Tritt ein weiterer Gesellschafter als Kommanditist in eine bestehende Handelsgesellschaft ein, ist Absatz 1 für die in der Zeit zwischen seinem Eintritt und dessen Eintragung in das Handelsregister begründeten Verbindlichkeiten entsprechend anzuwenden.“).
Empfindliche Mehrsteuern drohen im Rahmen der Schenkung- und Erbschaftsteuer, wenn verfrüht der Antrag auf Optionsverschonung gestellt wird und das Finanzamt später zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Optionsverschonung nicht vorliegen sollen. Der BFH geht für diesen Fall in seiner aktuellen Rechtsprechung davon aus, dass für die geschenkte wirtschaftliche Einheit eine Rückkehr zur Regelverschonung nicht möglich ist, wenn Antrag auf Vollverschonung („Optionsverschonung“) gestellt wurde, hier aber die Voraussetzungen nicht vorliegen.5
Gem. dem gleichlautenden Erlass oberste Finanzbehörden der Länder vom 22.12.2023, DStR 2024, 306 wendet die Finanzverwaltung das Urteil auf die derzeitige Rechtslage und alle offenen Fälle an.
In gewissem zeitlichem Umfang gewährt die Verwaltung allerdings Vertrauensschutz: Für Anträge auf Optionsverschonung, die vor dem 25.1.2024 gestellt wurden, gilt die bisherige günstigere Erlasslage fort, d.h. sofern die Voraussetzungen der Optionsverschonung nicht vorliegen, fällt der Steuerpflichtige auf die Regelverschonung zurück.
Möglich ist der Antrag auf Optionsverschonung bis zum Ablauf der Einspruchsfrist des Schenkung- / Erbschaftsteuerbescheides; die Bekanntgabe von (vorhergehende) Feststellungsbescheiden ist insoweit bedeutungslos. Frühzeitig sollten Chancen und Risiken eines Antrags auf Optionsverschonung mit dem Mandanten besprochen und insbesondere auf das drastische Risiko des kompletten Wegfalls der §§ 13a, 13b ErbStG für den Fall hingewiesen werden, dass die Voraussetzungen der Optionsverschonung nicht vorliegen. In der Regel bietet es sich zudem aus den genannten Gründen an, den Antrag möglichst spät zu stellen, d.h. innerhalb der Einspruchsfrist des Schenkung- / Erbschaftsteuerbescheides.
Typische Haftungsfallen ergeben sich in der Umstrukturierung aber insbesondere auch ertragsteuerlich. Mandanten wünschen regelmäßig die steuerneutrale Übertragung ohne Aufdeckung stiller Reserven. Soll dies unter Einbindung einer übernehmenden Kapitalgesellschaft erfolgen, gelingt dies, wenn stille Reserven vorhanden sind, in der Regel nur über die Vorschriften des UmwStG. Dies gilt insbesondere, wenn ein Einzelbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in einer Kapitalgesellschaft eingebracht oder ausgegliedert werden soll.
Sowohl die vertragliche Einbringung als auch die Ausgliederung stellen steuerrechtlich eine Einbringung nach §§ 20 ff. UmwStG dar. Zivilrechtlich handelt es sich bei der Einbringung um eine rechtsgeschäftliche Übertragung. Die Ausgliederung hingegen vollzieht sich nach Maßgabe der §§ 123, 152 UmwG kraft Gesetzes aufgrund partieller Gesamtrechtsnachfolge. Die auszugliedernden Gegenstände gehen hier also nicht vertraglich, sondern kraft gesetzlicher Anordnung über.
§ 20 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 UmwStG ermöglicht auf Antrag steuerlich die Buchwertfortführung. Der Buchwertansatz führt dazu, dass der Einbringende durch die Einbringung keinen Veräußerungsgewinn erzielt. Die Einbringung bleibt steuerlich neutral.
§ 20 UmwStG setzt tatbestandlich voraus: (i) die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils; (ii) eine Kapitalgesellschaft als übernehmende Gesellschaft; (iii) die Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft als Gegenleistung für die Einbringung.
Einbringungsgegenstand nach § 20 UmwStG kann demnach ein Betrieb sein. Der Einzelunternehmer muss zumindest alle wesentlichen Betriebsgrundlagen einbringen. Es gilt die funktionale Betrachtungsweise. Die Wirtschaftsgüter, die für den Betriebsablauf ein wesentliches Gewicht haben, also für die Fortführung des Betriebs notwendig sind, sind zu übertragen. Auf den Wert der Wirtschaftsgüter kommt es nicht an.
Auch ein Teilbetrieb kann Gegenstand einer Einbringung sein. Ein Teilbetrieb setzt tatbestandlich voraus:
Eine Haftungsfalle besteht, wenn keine vollständige Separierung von Restbetrieb und Teilbetrieb erfolgt.
Die Finanzverwaltung legt den europäischen Teilbetriebsbegriff zugrunde. Teilbetrieb ist demnach die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil eines Unternehmens vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbstständigen Betrieb, d.h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit darstellen. Hieraus folgert die Finanzverwaltung, dass die Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen bei der Einbringung eines Teilbetriebs für die steuerneutrale Fortführung der Buchwerte nicht ausreicht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind vielmehr sämtliche dem Betriebsteil nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgüter zu übertragen. Dies betrifft insbesondere auch Forderungen und Verbindlichkeiten, die nach wirtschaftlicher Veranlassung zuzuordnen sind.
Beispiel: Im Rahmen einer Umstrukturierung soll ein Einzelunternehmen zu Buchwerten nach § 20 UmwStG auf eine neugegründete, übernehmende GmbH gegen Gewährung neuer Geschäftsanteile ausgegliedert werden. Der notarielle Ausgliederungsvertrag enthält u.a. folgende Klauseln: „Die Ausgliederung erfolgt zu Buchwerten. Übertragen werden alle Aktiva und Passiva des Einzelunternehmens, die zum Ausgliederungszeitpunkt steuerliches Betriebsvermögen des Einzelunternehmens darstellen.“ Zur Klarstellung ist der notariellen Urkunde eine Schlussbilanz des Einzelunternehmens beigefügt. In der Schlussbilanz nicht ausgewiesen sind Markenrechte an den Hauptprodukten des Einzelunternehmens. Hier war der Einzelunternehmer bislang davon ausgegangen, dass er diese im Privatvermögen halten könnte. Zwei Jahre später stellt sich im Rahmen der Betriebsprüfung heraus, dass es sich bei den Markenrechten um notwendiges Betriebsvermögen und zugleich eine wesentliche Betriebsgrundlage des Einzelunternehmens handelt. Insofern, so die Argumentation der Betriebsprüfung, seien nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen, wie von § 20 UmwStG zur Buchwertfortführung gefordert, auf die GmbH übertragen worden.
Hier kann mit einer (ergänzenden) Vertragsauslegung der Einbringungsurkunde argumentiert werden, dass die Markenrechte, sofern sie tatsächlich notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens im Zeitpunkt des Ausgliederungszeitpunkts waren, unmittelbar mitabgetreten worden sind. Der Vertrag sieht insofern vor, dass alle Aktiva und Passiva des steuerlichen Betriebsvermögens übergehen. Zusätzlich kann versucht werden, das Markenrecht nochmals höchst vorsorglich abzutreten. Ggf. werden hierdurch die Voraussetzungen des § 20 UmwStG noch gewahrt. § 20 UmwStG setzt nicht zwingend den Simultanübergang von wesentlichen Betriebsgrundlagen voraus. Erforderlich ist vielmehr ein sachlich-zeitlicher Zusammenhang. Selbst eine rund zwei Jahre andauernde Gesamtübertragung kann im Einzelfall noch als einheitlicher Vorgang beurteilt werden, wenn der erste und der letzte Übertragungsakt durch besondere persönliche Umstände verknüpft sind.6
Die sachliche Anwendbarkeit des § 20 UmwStG setzt zudem voraus, dass die übernehmende GmbH wirtschaftliche Eigentümerin aller wesentlichen Betriebsgrundlagen wird.7 Wann wirtschaftliches Eigentum übergeht, richtet sich nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Hält der Einzelunternehmer ab dem Zeitpunkt der Einbringung oder Ausgliederung Wirtschaftsgüter treuhänderisch für die GmbH und wird dies tatsächlich vollzogen, ist dies zulässig. Nicht ausreichend ist eine bloße Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern. Überlässt der Einzelunternehmer die Wirtschaftsgüter in Form von Miete, Pacht oder auch unentgeltlich, begründet dies kein wirtschaftliches Eigentum der GmbH.8
Der Tatbestand des § 20 UmwStG erfordert zudem die Gewährung neuer Anteile. Neben der Gewährung neuer Anteile kann auch eine weitere Gegenleistung erfolgen (z.B. Darlehensgewährung). Keine zusätzliche Gegenleistung iSv. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG stellt die Übernahme betrieblicher Verbindlichkeiten dar, wenn sie Bestandteil des eingebrachten Betriebsvermögens sind. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG ist nur entscheidend, dass das eingebrachte Betriebsvermögen ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals nicht negativ ist.
Die Gewährung neuer Anteile liegt nicht vor, wenn die bereits gegründete GmbH, die eigene Anteile hält, dem Einbringenden diese eigenen Anteile gewährt. § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG fordert insoweit die Gewährung „neuer Anteile“ als Gegenleistung für die Einbringung. Es muss sich um Anteile handeln, die unmittelbar in Zusammenhang mit der Einbringung geschaffen werden.9
Die Gewährung neuer Anteile liegt vor, wenn der Geschäftsanteil gegen Bareinlage gewährt wird und aus dem Gesellschaftsvertrag hervorgeht, dass zusätzlich als Agio/Aufgeld das Unternehmen einzubringen ist (sog korporatives Sachagio). Es muss klar geregelt sein, dass ohne Übertragung des Einzelunternehmens und der Bareinlage der Geschäftsanteil nicht ausgegeben wird.10 Ebenso soll zulässig sein, wenn jedenfalls im notariell beurkundeten Kapitalerhöhungsbeschluss klargestellt wird, dass die Verpflichtung besteht, das Unternehmen als Sach-Agio einzubringen und hierfür als Gegenleistung die neu geschaffenen Anteile ausgegeben werden.11
Beispiel: A hat als Einzelunternehmen einen Online-Handel mit Olivenöl aufgebaut und mit dem Öl in den letzten Jahren einen durchschnittlichen Gewinn von € 300.000,-- erzielt. Im Jahr 2023 gründet er eine GmbH (Bar-Gründung) und verkauft das Warenlager aus dem Einzelunternehmen gegen Rechnung an die neu gegründete GmbH. Die GmbH führt den Betrieb des Öl-Online-Handels fort. Das bisherige Einzelunternehmen wird abgemeldet.
Im vorliegenden Fall liegt insbesondere mit Blick den vorhandenen Firmenwert des Einzelunternehmens eine steuerpflichtige Entnahme und aus Sicht der GmbH eine verdeckte Sacheinlage vor. Der Weg einer Buchwertfortführung gem. § 20 UmwStG ist versperrt, da die die Überführung insbesondere des Firmenwerts als wesentliche Betriebsgrundlage nicht auf Grundlage einer Verpflichtung Zug-um-Zug gegen Gewährung neuer Anteile erfolgt.
Fällt der Fehler frühzeitig auf, kann eine „Heilung“ dergestalt in Betracht gezogen werden, innerhalb der 8-monatigen Rückwirkungsfrist durch Ausgliederung / Einbringung das Unternehmen zu Buchwerten gem. § 20 UmwStG auf einen Zeitpunkt zu Buchwerten einzubringen oder auszugliedern, der vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Entnahme liegt.
Beispiel: A möchte seinen als Einzelunternehmen geführten Handwerksbetrieb zu Buchwerten auf eine GmbH übertragen. Die GmbH wird zunächst bar gegründet. Im privatschriftlichen Einbringungsvertrag ist geregelt, dass als Nebenpflicht zur Leistung der Bareinlage anlässlich der Gründung zusätzlich die Überführung des Einzelunternehmens als Sachagio unter Buchung gegen die Kapitalrücklage geschuldet wird.
Problematisch ist hier, dass die Sachleistungspflicht als Gegenleistung für den Erhalt der Geschäftsanteile weder in der Satzung noch im Kapitalerhöhungsbeschluss geregelt ist. Hier wird das Finanzamt ggf. die Sichtweise vertreten, dass eine Buchwertfortführung ausscheidet.12
Nach dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ist die Buchwertfortführung nur auf Antrag möglich. Der Antrag ist spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz, in der das übernommene Betriebsvermögen erstmals anzusetzen ist, durch die übernehmende GmbH bei dem für die Besteuerung der übernehmenden GmbH zuständigen Finanzamt zu stellen (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Eine solche Schlussbilanz gibt es in der Praxis nicht. Die Finanzverwaltung und insbesondere BFH gehen davon aus, dass die „steuerliche Schlussbilanz“ iRv. § 20 UmwStG die reguläre Steuerbilanz der GmbH ist, in der das übernommene Betriebsvermögen erstmals anzusetzen ist.13
Mit der Einreichung der Bilanz endet beim Finanzamt die Antragsfrist. Das gilt auch, wenn die eingereichte Bilanz fehlerhaft ist. Fallen der steuerliche Übertragungsstichtag und der Bilanzstichtag auf denselben Tag, ist für die Frist die Einreichung dieser Bilanz maßgeblich. Liegt der steuerliche Übertragungsstichtag vor dem regulären Bilanzstichtag, ist für die Frist die Einreichung der ersten auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgenden Bilanz maßgeblich.
Das Gesetz sieht keine Form für den Antrag vor. Allerdings ist der Antrag bedingungsfeindlich und unwiderruflich.14 Zu Recht wird daher eine konkludente Antragstellung durch Einreichung entsprechender Bilanzen und Steuererklärungen anerkannt. Widersprechen sich Antrag und Bilanzen, geht der Antrag vor.15 In der Praxis sollte vorsichtshalber immer ein ausdrücklicher schriftlicher Antrag gestellt werden. Im Einbringungs- oder Ausgliederungsvertrag sollte vereinbart werden, dass die aufnehmende Gesellschaft verpflichtet ist, den Antrag auf Buchwertfortführung rechtzeitig zu stellen.
Weicht das Finanzamt unberechtigt von der Buchwertfortführung ab, hat die Gesellschaft kein Rechtsschutzbedürfnis hiergegen vorzugehen. Allerdings steht dem Einbringenden ein Drittanfechtungsrecht zu.16
Beispiel 1: Im Juli 2021 wird rückwirkend die Einbringung eines Einzelunternehmens in die A-GmbH mit einem dem Kalenderjahr entsprechenden Wirtschaftsjahr unter Buchwertfortführung beschlossen. Als steuerlicher Übertragungsstichtag wird der 1.1.2021 festgelegt. Der Jahresabschluss zum 31.12.2020 einschließlich der Steuererklärungen der A-GmbH wurden fristgemäß bereits im Mai 2021 beim Finanzamt abgegeben.
Lösung 1: Der Antrag auf Buchwertfortführung muss spätestens bis zur Abgabe der Steuerbilanz zum 31.12.2021 gestellt werden. Wird die Steuerbilanz auf den Bilanzstichtag abgegeben, ohne weitere Erklärung zur Ausübung des Wahlrechts, ist die Antragsfrist verstrichen und der darin angesetzte Wert maßgebend.
Beispiel 2: Im Juli 2021 wird rückwirkend die Einbringung eines Einzelunternehmens in die A-GmbH mit einem dem Kalenderjahr entsprechenden Wirtschaftsjahr unter Buchwertfortführung beschlossen. Als steuerlicher Übertragungsstichtag wird der 31.12.2020 festgelegt. Der Jahresabschluss zum 31.12.2020 einschließlich der Steuerklärungen der A-GmbH wurden fristgemäß bereits im Mai 2021 beim Finanzamt abgegeben.
Lösung 2: Es steht der Buchwertfortführung nach h.M. nicht entgegen, dass die Bilanz zum 31.12.2020 bereits abgegeben wurde. In dieser Bilanz wurde das übernommene Betriebsvermögen nicht angesetzt und konnte naturgemäß auch noch nicht angesetzt werden. Als für den Antrag maßgebende steuerliche Schlussbilanz ist die auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zu korrigierende Bilanz zum 31.12.2020 anzusehen.17
Der Einbringende hat in den auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgenden sieben Jahren jährlich spätestens bis zum 31.5. den Nachweis darüber zu erbringen, wem die Anteile zuzurechnen sind. Es ist eine schriftliche Erklärung abzugeben, wem die Anteile zuzurechnen sind und ein Nachweis beizufügen über die Gesellschafterstellung (z. B. Bescheinigung des Geschäftsführers der übernehmenden Gesellschaft, Vorlage der Steuerbilanz, Gesellschafterliste).
Ist diese Frist auf den 31.5. zunächst verpasst, lässt es die Finanzverwaltung gleichwohl zu, wenn der Nachweis nachträglich noch bis zum Abschluss des Klageverfahrens über den Bescheid, in dem die steuerlichen Konsequenzen gezogen würden, erbracht wird.18
Jedenfalls die Finanzverwaltung prüft die Grundsätze der Gesamtplanrechtsprechung auch für den Fall, dass im Vorgriff auf eine Buchwert-Überführung eines Betriebs gem. § 20 Abs. 2 UmwStG einzelne Wirtschaftsgüter, bspw. Immobilien, aus dem Betriebsvermögen steuerneutral gem. § 6 Abs. 5 EStG auf ein anderes Betriebsvermögen, bspw. eine GmbH & Co. KG, übertragen worden sind. Diese u.E. zutreffende Rechtsprechung ist so zu verstehen, dass eine vorherige Auslagerung von funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen durch Entnahme, Veräußerung oder Überführung in weiteres Betriebsvermögen zum Buchwert der Buchwertfortführung nach § 20 UmwStG nicht entgegensteht.19
Die Finanzverwaltung vertritt hier bislang eine andere Auffassung. In den genannten Fällen sei die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung zu prüfen (20.07 AE UmwStG). Andererseits soll der Gesamtplanbetrachtung nach Ansicht der Finanzverwaltung bei Überführung einzelner Wirtschaftsgüter nach § 6 Absatz 5 EStG und (sodann) Überführung der (Rest-)Betriebs nach § 6 Abs. 3 EStG in ein anderes Betriebsvermögen keine Rolle mehr spielen.20
Werden anlässlich einer Ausgliederung die eingebrachten Vermögensverwerte nicht nur als Stammeinlage und Leistung in die Kapitalrücklage, sondern zugleich auch als Darlehensforderung des Einbringenden gebucht, besteht seit dem 1.1.2023, soweit der Darlehensbetrag (wie i.d.R.) mehr als 10 Prozent des Nennbetrags des gewährten Geschäftsanteils übersteigt, jedenfalls die Gefahr der zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Ausgliederungsvertrags.
So könnte eine solche Darlehensgewährung einen Verstoß gegen die nicht verzichtbare Begrenzung barer Zuzahlungen i.S.d. §§ 54 Abs. 4, 68 Abs. 3 UmwG darstellen. Rechtsfolge wäre ggf. die Nichtigkeit des Ausgliederungsvertrags.21 Ob diese Sichtweise auf Darlehen zutrifft, wogegen Gründe sprechen,22 ist bislang in der Rspr, aber auch in der Literatur nicht abschließend geklärt. In der Gestaltungsplanung sollte entsprechend vorsichtig agiert werden und ggf. an Stelle der Ausgliederung mit einer rechtsgeschäftlichen Einbringung gearbeitet werden, für die bei einer Darlehensgewährung dann „nur“ noch die Grenzen des § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG beachtet werden müssen. Nachteil der Einbringung bei der Übertragung auch inländischen Grundbesitzes ist allerdings, dass eine Grunderwerbsteuerbefreiung nach Ansicht der Finanzverwaltung23 nicht in Betracht kommen soll, wohingegen bei der Ausgliederung nach hM. eine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG in Betracht kommt.24
Einbringungen sollten in der Regel nur vom geübten, in diesen Bereichen regelmäßig tätigen steuerlichen Berater begleitet werden. Die sich zum Teil im fortlaufenden Umbruch befindliche Rechtsprechung sowie die jeweils aktuelle Verwaltungsauffassung sollten sicher beherrscht werden. Andernfalls drohen erhebliche Haftungsrisiken.
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