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Zitiervorschlag: Nothelfer, LR 2020, S. 276, [●], www.lrz.legal/2020S276.

 

Anmerkung der Redaktion: Der vorliegende Beitrag ist die Fortsetzung von LR 2020, 266 (Teil I)

1. Kritische Untersuchung der Norm

1.1. Der eSport-Begriff (sachlicher Anwendungsbereich)

Ferner problematisch ist – sowohl aus juristischer als auch aus rechtspolitischer Sicht – die vom Gesetzgeber gewählte Definition von eSport. Auf rechtlicher Ebene besteht bislang kein gesetzesübergreifendes einhelliges Begriffsverständnis.1 Anders ist dies für die Regelung in § 22 Nr. 5 BeschV. Im Rahmen der Gesetzesmaterialien für die Änderung der Beschäftigungsverordnung führt der Gesetzgeber an:

 

„Entsprechend der Definition des eSportbundes Deutschland 2 wird eSport im Sinne dieser Regelung definiert als unmittelbarer Wettkampf zwischen menschlichen Spielern unter Nutzung von geeigneten Video- und Computerspielen an verschiedenen Geräten und auf digitalen Plattformen unter festgelegten Regeln. Der Leistungsvergleich im eSport bestimmt sich aus dem Zusammenwirken einer zielgerichteten Bedienung der Eingabegeräte in direkter Reaktion auf den dargestellten Spielablauf bei gleichzeitiger taktischer Beherrschung des übergreifenden Spielgeschehens. Bezugsobjekt der Tätigkeit sind Videospiele, die in ihrem Aufbau und ihrer Wirkungsweise den Anforderungen an die Leistungsermittlung genügen, den Spielerfolg nicht überwiegend dem Zufall überlassen und einen reproduzierbaren Spielrahmen zum Vergleich der Leistung zwischen den Spielern bieten.“

 

Die Definition des eSport-Bund Deutschland (ESBD) bildet nach Ansicht des Verfassers jedoch nicht den gesamten eSport ab, der von einem großen Maß an Heterogenität geprägt ist. Die Definition des ESBD entstand mit der Absicht, die Nähe zum traditionellen Sport abzubilden.3 Der Begriff orientiert sich derart nah an jenem, dass eine moderne Auslegung des Sportsbegriffs die vom ESBD als eSport kategorisierten eSport-Titel bereits erfassen würde. Das resultiert daraus, dass den meisten gesetzlichen Sportprivilegierungen ein Sport-Begriff zugrunde liegt, der „historischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen unterworfen“ ist (bspw. in BT-Drs. 18/8831, S. 19 zur Einführung der Strafbarkeit u.a. des Sportwettbetrugs). Demnach ist bereits fraglich, inwiefern § 22 Nr. 5 BeschV im Vergleich zu § 22 Nr. 4 BeschV  einen eigenen sachlichen Anwendungsbereich aufweist. Daran ändert auch die abweichende Regelung bezüglich der jeweiligen Spitzenverbände nichts, da es im eSport keinen zum traditionellen Sport vergleichbaren Spitzenverband gibt (vgl. dazu V.4.).

 

Unabhängig davon bestehen bezüglich der Definition des ESBD neben inhaltlichen auch methodische Bedenken. An dieser Stelle liegt der Vorwurf nicht beim ESBD – der im traditionellen Sinne mehr Lobby-Verband und weniger regulatorischer (Sport-)Verband ist –, sondern beim Gesetzgeber, der die Definition ohne kritische Würdigung inhaltlich übernommen hat. Die Definition weist neben einer Vielzahl redundanter Elemente4 auch Merkmale auf, die nicht zur Abgrenzung geeignet sind. Exemplarisch kann hier das Tatbestandsmerkmal „an verschiedenen Geräten und auf digitalen Plattformen“ angeführt werden. Die Passage ermöglicht keine Abgrenzung, da es kein Gerät und keine Plattform gibt, von der abgegrenzt werden kann, wenn der Tatbestand zuvor bereits auf „Computerspiele“ reduziert wurde. Es handelt sich um eine inhaltslose Phrase. Selbiges gilt für „festgelegte Regeln“. Dies könnte höchstens zu „nicht festgelegten Regeln“ abgrenzen. Inwiefern eine Regel aber zuvor nicht zumindest rudimentär (und sei es lediglich „die einzige Regel ist, es gibt keine Regeln“) festgelegt sein soll, erschließt sich nicht. 5

 

Im Grundsatz empfiehlt sich zur Bildung eines Rechtsbegriffs zunächst der Blick auf das tatsächliche Phänomen. Nach methodischen Grundsätzen kann somit zunächst ein „beschreibender Begriff“ gebildet werden. Kernelemente für den beschreibenden eSport-Begriff sind (1) menschliche Spieler, (2) ein Computerspiel und (3) ein Wettkampf zwischen den Spielern.6 eSport ist demnach der Wettkampf zwischen Menschen mittels Computerspielen. Abzugrenzen ist hiervon der Begriff „nicht-kompetitives Gaming“, also die Form des Spielens von Computerspielen, die keinerlei Leistungsvergleich beinhaltet. Als Synonym für den Begriff eSport ist daher auch „kompetitives Gaming“ möglich. Der ESBD unterscheidet hingegen weiter zwischen kompetitivem Gaming und eSport, indem er den eSport-Begriff verengt und somit zu einem Unterbegriff von Ersterem macht. Der Hintergrund für dieses Vorgehen wurde bereits dargestellt und als unbegründet verworfen. Ferner stellt die weitere, künstliche Trennung des ESBD keinen Mehrwert in einem System dar, das den traditionellen Sport und den eSport getrennt voneinander normiert.

 

Der soeben angeführte beschreibende Begriff kann nun je nach Telos des jeweiligen Gesetzes, also mit sachlicher Begründung, enger gefasst werden und sich damit theoretisch dem Begriffsverständnis des ESBD annähern. Im Detail verlangt dieser für eine Subsumtion beispielsweise nicht nur einen Wettkampf, sondern gerade einen „unmittelbaren“ Wettkampf mit „direkter Reaktion auf den dargestellten Spielablauf“. Vom Tatbestand ausgenommen werden daher beispielsweise rundenbasierte Spieletitel, bei denen es nicht auf eine schnelle und präzise Reaktion der Spieler ankommt. Dies sind vor allem virtuelle Kartenspiele wie Hearthstone7, die aber schon seit langer Zeit von großen Teilen der Gaming-Community und auf deren Plattformen (wie bspw. Twitch) als eSport anerkannt sind. Gerade der angeführte eSport-Titel war über Jahre einer der eSport-Titel mit den meisten internationalen Turnieren, was gerade in Bezug auf die Visa-Vergabe Relevanz aufweist. Ferner betroffen sind rein mittelbare Wettkämpfe wie „Speedrun Competitions“, bei denen der Spieler unmittelbar gegen die Software antritt und sich der menschliche Wettkampf über einen Vergleich der beiden menschlichen Leistungen gegen die Software ergibt. Weshalb solche Wettbewerbe zwischen Menschen – trotz der identischen Phänotypen – von der Visa-Vergabe ausgeschlossen sein soll, erschließt sich nicht.

 

Obgleich beide dargestellten mittelbaren eSport-Arten kaum unter die Definitionen des traditionellen Sports subsumierbar sind, ist dies im Rahmen der Beschäftigungsverordnung nicht von Bedeutung, da in dieser ja gerade eine eigene Norm für den eSport geschaffen wurde. Hier zeigt sich erneut, dass der Gesetzgeber unabsichtlich eher eine deklaratorische Norm anstelle einer konstitutiven geschaffen hat.

 

1.2. Notwendiges Bruttogehalt

§ 22 Nr. 5 BeschV verlangt, dass die Person, die eSport ausübt, ein Bruttogehalt bezieht, das „mindestens 50 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung beträgt“. Für das Jahr 2020 bedeutet dies ein Bruttogehalt von 41.400 € (exklusive leistungs- bzw. einsatzbezogener Prämien8, welche im Sport einen erheblichen Teil der Vergütung ausmachen können9). Dieser Grenzwert wurde ebenfalls aus der Regelungsvariante des traditionellen Sports übernommen. Fraglich ist, ob der Grenzwert auch für den eSport tauglich ist.

 

Dagegen spricht das verhältnismäßig junge Alter der meisten eSport-Titel. Selbst solche, die sich schnell einer größeren Beliebtheit bei Zuschauern erfreuen (und somit das Potenzial für entsprechende Löhne für eSportler bedeuten könnten), haben in den meisten Fällen Schwierigkeiten, schnell ein wirtschaftlich lohnendes und nachhaltiges Ökosystem zu etablieren. Die wenigen eSport-Titel, in denen der Aufbau eines solchen Ökosystems funktioniert hat, bestechen hingegen zumeist durch Löhne im sechsstelligen Bereich. Im Vergleich dazu steht ein Bruttogehalt von 41.400 € ohne Prämien zwischen zwei Extremen im luftleeren Raum.

 

Auch hier hat es der Gesetzgeber verpasst, den Besonderheiten der Branche Rechnung zu tragen. Die Norm ist ohne eine entsprechende Anpassung zu restriktiv. Erschwerend kommt hinzu, dass ein fehlendes Visum für eine Liga in Deutschland die Entwicklung eines jungen eSport-Titels und somit auch den Anstieg des Lohnniveaus sogar behindern können. Um einen tauglichen Ersatzwert festzulegen, bedarf es weiterer Studien von Seiten des Gesetzgebers. Als grobe Vergleichsziffer kann der feste Lohn (exklusive Prämien und sonstiger Einkünfte) von Turner „Tfue“ Tenney10 in seinem Rookie-Vertrag bezüglich seiner Tätigkeit im eSport-Titel Fortnite11 bei der US-amerikanischen Organisation FaZe Clan gewertet werden, der umgerechnet bei 20.640 € brutto im Jahr lag.12 Dies entspräche circa 25 % der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung. Für einen Vergleich muss aber beachten werden, dass solche Verträge in den USA typischerweise einen eher niedrigen Lohn aufweisen und der Großteil der Einnahmen im eSport bei Personen wie „Tfue“ über Content Creation wie Streaming generiert wird. Ein politischer Kompromiss könnte sich jedoch zwischen den im Raum stehenden Prozentsätzen finden, bspw. bei 33 % der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung (also bei circa 27.600 €).

 

1.3. Zuständiger Spitzenverband

Laut § 22 Nr. 5 BeschV muss „der für den eSport zuständige deutsche Spitzenverband die berufsmäßige Ausübung von eSport“ bestätigen. Auch diese Formulierung wurde unter notwendigen Anpassungen von § 22 Nr. 4 BeschV übernommen. In diesem heißt es: „[…] der für die Sportart zuständige deutsche Spitzenverband im Einvernehmen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund die sportliche Qualifikation als Berufssportlerin oder Berufssportler oder die fachliche Eignung als Trainerin oder Trainer bestätigt“. Problematisch ist hier, dass es im deutschen eSport keine zum traditionellen Sport in Deutschland vergleichbaren Spitzenverbände13 gibt. Ein solcher müsste zumindest die jeweiligen Wettbewerbsregulatoren, also primär den Publisher oder dessen Vertretung (in Deutschland häufig der game Verband), beinhalten. Dies trifft nicht auf den ESBD zu. Daher sollte auch im Wortlaut der Norm eine von der Sport-Variante abweichende Formulierung gewählt werden.

 

Eine Verbandsstruktur, wie sie aus dem traditionellen Sport bekannt ist, ist für den eSport – vor allem für den nationalen eSport – aufgrund der verschiedenen Wettbewerbssysteme der jeweiligen Titel und des internationalen Charakters der Wettbewerbe nur schwer in die Realität umzusetzen. Es bietet sich daher bei einer etwaigen Neuregelung an, sich auf den Sinn und Zweck der in Frage stehenden Regelung zu konzentrieren und ein entsprechendes Gremium zu schaffen. Aufgabe des Spitzenverbands ist es, die berufsmäßige Ausübung von eSport zu bestätigen. Bezugspunkte sind im traditionellen Sport die Vertragsspielereigenschaft und das Tätigwerden als Berufssportler nach den Statuten der jeweiligen Wettbewerbsbetreiber.14 Beurteilungshoheit haben im eSport diesbezüglich als Regulator des Wettbewerbs je nach Einzelfall der Publisher und/oder der Veranstalter sowie die professionellen Klubs als (primärer) Arbeitgeber. Für die verschiedenen eSport-Titel bedarf es also jeweils eines Gremiums aus den entsprechenden Stakeholdern. Denkbar wäre für den ESBD im Rahmen von § 22 Nr. 5 BeschV in diesem Falle eine vergleichbare Rolle zu der des DOSB in § 22 Nr. 4 BeschV, obgleich jener keine vergleichbare prozentuale Branchen-Abdeckung wie der DOSB vorweisen kann.

 

Anzumerken ist, dass die entsprechenden staatlichen Stellen derzeit den ESBD dennoch alleinig als Spitzenverband ansehen. Inzwischen hat dieser aber von sich aus ein Gremium mit verschiedenen Stakeholdern der Branche geschaffen, um faktisch die gesetzlich wünschenswerte Situation herbeizuführen. Während dieses Vorgehen ausdrücklich zu begrüßen ist, ist der Gesetzgeber damit nicht aus seiner Pflicht entlassen. Das Gesetz muss die alternativlose Realität auch in seinem Wortlaut abbilden. Wirkt dies zunächst wie übertriebener Formalismus, so trägt erst eine saubere und differenzierte Regelung zur wahrhaften Professionalisierung der eSport-Branche bei. Der virtuelle Ball liegt hierbei im Feld des Gesetzgebers.

 

1.4. eSport von "erheblicher nationaler und internationaler Bedeutung"

Ferner wird nicht jede Form des eSports erfasst, sondern wie auch im traditionellen Sport nur solcher von „erheblicher nationaler oder internationaler Bedeutung“. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird vom Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien mit weiteren unbestimmten Rechtsbegriffen versehen. So hält er die Voraussetzung beispielweise für erfüllt, „wenn es eine internationale oder nationale „Liga“ gibt, bei der sich eine nicht unerhebliche Zahl von Spielern oder Mannschaften regelmäßig miteinander messen"15. Was genau unter „Liga“ oder einer „nicht unerheblichen Zahl von Spielern oder Mannschaften“ zu verstehen ist, bleibt ebenso unklar wie die Häufigkeit des „regelmäßigen“ Kräftemessens im Einzelfall. Wie ein Richter dies ohne Sachkenntnisse im eSport oder Sachverständigen-Gutachten beurteilen soll, ist nicht ersichtlich. Besonders komplex wird die Frage im Hinblick darauf, dass die Bedeutung vieler eSport-Titel von Woche zu Woche unterschiedlich beurteilt werden kann. Ferner sind eSport-Titel in manchen Ländern beliebter als in anderen. Man könnte auch argumentieren, dass es eSport-Titel gibt, die nur in anderen Ländern eine entsprechende Bedeutung haben, nicht aber in Deutschland oder international. Ein Beispiel hierfür sind beliebte eSport-Titel in Japan. Dort ist der beliebteste eSport-Titel „Super Smash Bros".17 Obgleich der eSport-Titel in der internationalen Community bekannt ist, kann nur schwer von einer erheblichen internationalen Bedeutung gesprochen werden. Selbiges gilt für Deutschland. Ein bedeutendes wirtschaftliches Ökosystem um die Wettbewerbe in diesem eSport-Titel besteht ebenfalls nicht. Dies mag zwar im traditionellen Sport ähnlich sein, dies ist dort aber aufgrund der zumeist langen Existenz der Sportarten und der traditionellen Strukturen leichter zu beurteilen. Auch der bereits angeführte Aspekt, dass einen eSport-Titel verhältnismäßig schnell ein extremer Abfall an Beliebtheit ereilen kann, trägt zur Komplexität bei. In kürzester Zeit kann so aus einem eigentlich zu erteilenden Visum ein zu versagendes werden. Dies sorgt für enorme Rechtsunsicherheit, welche die im traditionellen Sport stark übersteigt.

 

Wie bereits bei der Frage nach dem Spitzenverband im eSport könnte auch hier eine Instanz, die die aktuelle Bedeutung einzuschätzen vermag und gleichzeitig die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals selbst nicht überschätzt, die Lösung sein. Gerade aufgrund der Komplexität der Branche bietet es sich an, die Aufgaben des soeben beschriebenen Gremiums auch auf die Bestätigung der in Frage stehenden Bedeutung auszuweiten.

 

1.5. Zwischenergebnis

Obgleich die Norm in politischer – und durch ihren deklaratorischen Charakter inmitten der Diskussion um eine mögliche Subsumtion unter den Sport-Begriff womöglich auch in praktischer – Hinsicht ein positiver und richtiger Schritt ist, leidet die Norm selbst an erheblichen Mängeln aus juristischer und rechtspolitischer Sicht. So ist die Verfassungsmäßigkeit der Norm ebenso fraglich wie ihr Anwendungsbereich. Definitiv schlagen sich jedoch die vielen Besonderheiten der eSport-Branche nicht in ihr nieder.

 

1.6. Mögliche Alternative für den Gesetzestext

Bezieht man die in dieser Publikation angeführten Alternativen in die Überlegungen bezüglich eines tauglichen Wortlauts des § 22 Nr. 5 BeschV ein, so könnte dieser wie folgt angepasst werden:

 

„Keiner Zustimmung bedarf die Erteilung eines Aufenthaltstitels an Berufs-eSportlerinnen und Berufs-eSportler oder Berufs-eSport-Trainerinnen und Berufs-eSport-Trainer, deren Einsatz in deutschen Vereinen oder vergleichbaren an Wettkämpfen teilnehmenden Einrichtungen des eSports, also des Wettkampfs zwischen menschlichen Spielern unter Nutzung von Computerspielen, vorgesehen ist, wenn sie

 

a) das 16. Lebensjahr vollendet haben,

 

b) der Verein oder die Einrichtung ein Bruttogehalt zahlt, das mindestens 33 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung beträgt, und

 

c) das für die Visa-Vergabe im eSport zuständige Gremium zum einen die berufsmäßige Ausübung von eSport und zum anderen die erhebliche nationale oder internationale Bedeutung der ausgeübten Form des eSports bestätigt.“

 

2. Fehlende Ergänzung des § 23 BeschV

Als Randbemerkung sei noch erwähnt, dass § 22 BeschV im Visa-Regelungskomplex nicht allein steht. Ebenfalls zu erwähnen ist § 23 BeschV für internationale Sportveranstaltungen. Die Norm regelt die Visa-Vergabe für Personen, die „zur Vorbereitung, Teilnahme, Durchführung und Nachbereitung internationaler Sportveranstaltungen durch das jeweilige Organisationskomitee akkreditiert werden, soweit die Bundesregierung Durchführungsgarantien übernommen hat“. Im Gegensatz zu § 22 Nr. 4 BeschV hat § 23 BeschV keine Parallelregelung erfahren. Der Gesetzgeber führt hierzu aus: „Die Änderung dient der Ergänzung der Beschäftigungsverordnung um eSportler. Der an dieser Stelle mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgesehene Speicherplatz für die Beschäftigung akkreditierter Personen bei internationalen Sportveranstaltungen wird wegen geringer praktischer Relevanz gestrichen".18

 

Einen Beleg für diese These findet sich in den Materialien jedoch nicht. Im Hinblick darauf, dass erst zu Beginn des Jahres nur der Münchener Stadtrat verhindern konnte, dass das Finale der LEC – und damit das praxisrelevanteste Event in Deutschland für das eSport-Visum – in München stattfindet, scheint die These auch wenig schlüssig.19 Sollte es keinen Beleg für die fehlende praktische Relevanz geben, ist die unterlassene Änderung des § 23 BeschV inkonsequent. Anzumerken ist ferner, dass sich in der Begründung kein Verweis darauf findet, dass die wirtschaftliche Verflechtung der Publisher für die unterbliebene Normierung verantwortlich ist. Im Rahmen des professionellen eSports würde dies im Vergleich zum ebenso wirtschaftlich verflochtenen traditionellen Profi-Sports auch kaum überzeugen.

 

Eine mögliche Anpassung des § 23 BeschV könnte dabei wie folgt lauten:

 

㤠23 Internationale Sport- und eSport-Veranstaltungen

 

Keiner Zustimmung bedarf die Erteilung eines Aufenthaltstitels an Personen, die zur Vorbereitung, Teilnahme, Durchführung und Nachbereitung internationaler Sport- und eSport-Veranstaltungen durch das jeweilige Organisationskomitee akkreditiert werden, soweit die Bundesregierung Durchführungsgarantien übernommen hat; dies sind insbesondere folgende Personen:

 

1. die Repräsentantinnen und Repräsentanten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Beauftragten von Verbänden oder Organisationen im Sport und der teilnehmenden und veranstaltenden Organisationen im eSport einschließlich Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter sowie Schiedsrichterassistentinnen und Schiedsrichterassistenten,

 

2. die Sportlerinnen und Sportler, eSportlerinnen und eSportler sowie bezahltes Personal der teilnehmenden Mannschaften,

 

3. die Vertreterinnen und Vertreter der offiziellen Verbandspartner im Sport und Organisationspartner im eSport und der offiziellen Lizenzpartner,

 

4. die Vertreterinnen und Vertreter der Medien einschließlich des technischen Personals sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Medienpartner.“

 

3. Fazit

Der eSport ist eine höchst diverse und heterogene Branche, deren wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Bedeutung in vielerlei Hinsicht immer größer wird. Rechtliche Fragen stellen sich in quasi jedem Rechtsgebiet. Unmittelbar wurde der Gesetzgeber bisher nur an einer Stelle tätig, indem er das deutsche eSport-Visum in § 22 Nr. 5 BeschV geregelt hat. Während dies aus politischer Sicht ein überfälliger Schritt war, leidet die Umsetzung an einer Vielzahl von Problemen. Dies betrifft unter anderem den Anwendungsbereich und die Verfassungsmäßigkeit der Norm. Berufstrainer werden nicht erfasst, es wird ein ohne Sachgrund beschränkter eSport-Begriff verwendet und den Besonderheiten der Branche wird nicht Rechnung getragen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber diese Mängel nachbessert. Die vorliegende Publikation gibt dafür einen detaillierten Leitfaden vor.


1Vgl. bereits Kurt/Nothelfer, Die Anwendbarkeit des technischen Arbeitsschutzrechts bei spielbezogenen eSport-Tätigkeiten, RdA 2020, 211

2Im Detail dargestellt in Jagnow/Baumann, eSport aus verbandlicher Perspektive, MMR-Beilage 2018, 12

3So führt der ESBD auf seiner Homepage an: „Insbesondere vor dem Hintergrund des Sportbegriffes des organisierten Sportes bedarf die Auslegung des Elements des Sportwettkampfes [in der eSport-Definition des ESBD] die genaue Bestimmung der sportlichen Leistung“, vgl. https://esportbund.de/esport/was-ist-esport/ (zuletzt abgerufen am 21.10.2020)

4 Beispielhaft sei die Aufführung von „Video- und Computerspielen“ genannt. Sämtliche digitale Werke sind als Computerprogramme (also Computerspiele) zu qualifizieren. Die Bezeichnung „Videospiele“ hat keinen darüber hinausgehenden Inhalt und ist somit nicht notwendig. Unklar ist ferner, warum im letzten Satz der Definition nur noch von Videospielen die Rede ist.

5 Für weitere Kritik vgl. den Vortrag von Nothelfer/Schlotthauer auf der 2. Jahrestagung der Forschungsstelle für eSport-Recht ab 13:22 min, abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=JPjpErWlh1g&t=991s (zuletzt abgerufen am 21.10.2020)

6Für Details vgl. den Vortrag von Nothelfer/Schlotthauer auf der 2. Jahrestagung der Forschungsstelle für eSport-Recht ab 0:50 min, abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=JPjpErWlh1g&t=991s (zuletzt abgerufen am 21.10.2020)

7Von Publisher „Blizzard Entertainment“

8 Klaus, in: BeckOK Ausländerrecht, 26. Ed. Stand. 01.07.2020, § 22 BeschV, Rn. 53.

9 Vgl. hierzu Nothelfer/Wörner, Grenzen der Vertragsgestaltung im eSport am Beispiel Tfue vs. FaZe Clan, in: eSport-Recht – Politik, Praxis und Wissenschaft im Dialog, 209, 224 ff.

10 Tenney „Tfue“ Turner ist ein US-amerikanischer eSportler, YouTube-Content Creator und Twitch-Streamer. Mit beinahe 12 Millionen Abonnenten auf YouTube und über 8,5 Millionen Followern auf Twitch zählt er zu den erfolgreichsten Persönlichkeiten im Bereich Gaming. Außerdem spielte er professionell in mehr als 50 Fortnite-Turnieren, wobei er mehrere Siege und häufige Top-Platzierungen erreichen konnte. Vgl. hierzu die Ausführungen und Fundstellen in Nothelfer/Wörner, Grenzen der Vertragsgestaltung im eSport am Beispiel Tfue vs. FaZe Clan, in: eSport-Recht – Politik, Praxis und Wissenschaft im Dialog, 209, 215 ff.

11 Von Publisher „Epic Games“

12 Vgl. hierzu die Ausführungen und Fundstellen in Nothelfer/Wörner, Grenzen der Vertragsgestaltung im eSport am Beispiel Tfue vs. FaZe Clan, in: eSport-Recht – Politik, Praxis und Wissenschaft im Dialog, 209, 222 ff.

13 Vgl. hierzu die Liste des DOSB, abrufbar unter https://www.dosb.de/ueber-uns/mitgliedsorganisationen/spitzenverbaende/?Spitzenverb%C3%A4nde= (zuletzt abgerufen am 21.10.2020).

14 Klaus, in: BeckOK Ausländerrecht, 26. Ed. Stand. 01.07.2020, § 22 BeschV, Rn. 53.

15BR-Drs. 110/20, 27.

16 Von Publisher „Nintendo“.

17 Nielsen Esports Fan Insights, abrufbar unter https://esportsobserver.com/nielsen-sports-vs-esports-rankings/ (zuletzt abgerufen am 21.10.2020).

18 BR-Drs. 110/20, 39.

19 Vgl. hierzu und zu folgendem Nothelfer/Scholz, Vom „Killerspiel“ zum Sport?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) – Einspruch; Link: https://www.faz.net/einspruch/e-sport-vom-killerspiel-zum-sport-16982356.html (zuletzt abgerufen am 21.10.2020).

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