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 Zitiervorschlag: Hillemann/Suchrow, LR 2021, S. 52, [●], www.lrz.legal/2021S52

 

Der zweiteilige Artikel erörtert wie die Blockchain genutzt werden kann, um die Anforderungen des neuen Lieferkettengesetzt einzuhalten. Hierbei wird der Hintergrund und Inhalt des vorgeschlagenen Lieferkettengesetzes dagestellt (Teil I) sowie Funktionsweisen und Anwendungsmöglichkeit der Blockchain erläurtert (Teil II).

1. Einleitung

 

Nach der Einigung im Kabinett soll noch in dieser Legislaturperiode ein Lieferkettengesetz verabschiedet werden. Ab 2023 sind dem jetzt vorgeschlagenen Gesetz zu Folge große Unternehmen verpflichtet, die Einhaltung der Menschenrechte in Lieferketten zu überwachen und zu fördern. Die vielschichtigen Lieferketten zu überblicken und die Einhaltung von Mindeststandards zu überprüfen und nachzuweisen, kann für die Unternehmen durch den Einsatz der Blockchain-Technologie einfacher werden und lässt sich mit den Effizienzgewinnen des Einsatzes auch für andere Anwendungsfälle verbinden.

 

2. Hintergrund und Inhalt des Lieferkettengesetzes

 

Die jetzt gefundene Einigung geht auf eine seit der Verabschiedung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte[1] im Jahre 2011 zu beobachtende Entwicklung zurück. Spätestens seitdem sind die Bemühungen von Staaten verstärkt worden die Beeinträchtigungen der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu begrenzen – bisher vor allem mit Appellen an Unternehmen freiwillig entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

 

Beispiele für Beeinträchtigungen von Menschenrechten durch Private in internationalen Lieferketten gibt es viele: der Einsatz von Kinderarbeit in der Textil- und Rohstoffindustrie, sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse in Infrastrukturprojekten, unsichere Produktionsbedingungen, die gesundheitsschädigend sind oder gar – wie beim Einsturz des Rana Plaza Gebäudes in Bangladesch im Jahr 2013 – einer Vielzahl von Menschen das Leben kosten.

 

Auch international lässt sich diese Entwicklung beobachten: In Frankreich wurde 2017 ein entsprechendes Gesetz (Loi de vigilance[2]) verabschiedet, in den Niederlanden (Wet Zorgpflicht Kinderarbeid) und Großbritannien (UK Modern Slavery Act 2015) gelten Gesetze, die die Unternehmen verpflichten, ihre Lieferkette auf Kinderarbeit bzw. Verhältnisse moderner Sklaverei hin zu überwachen.[3] Der Rechtsausschuss des Europaparlaments sprach sich im Januar 2021 für die Einführung eines europäischen Lieferkettengesetzes (Due Dilligence Act) aus.[4] In der ersten Jahreshälfte 2021 wird hierzu ein Entwurf der EU-Kommission erwartet. Deutschland reiht sich mit der Einigung im Kabinett auf ein „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ in diese Entwicklung ein.

 

Die Bundesregierung hatte sich 2016 zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien auf den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verständigt. Im Rahmen dessen sollte überprüft werden, wie Unternehmen in Deutschland bisher ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen. Von den Ergebnissen dieses sog. NAP-Monitorings sollte nach dem Koalitionsvertrag die Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Überwachung der Einhaltung von Menschenrechten in Lieferketten abhängig gemacht werden. Weil in dem Monitoring 2018 und 2020 nur 13 – 17 % der befragten Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ausreichende Maßnahmen zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte in ihren Lieferketten ergriffen hatten – und nicht die nach dem Koalitionsvertrag angestrebten 50 % – folgt jetzt eine rechtlich verbindliche Lösung.[5]

 

Nach etlichen Verhandlungsrunden zwischen den federführenden Ministerien (Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS], Bundesministerium für Wirtschaft und Energie [BMWi] und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [BMZ]) wurde am 12.02.2021 die Einigung auf die Eckpunkte des Gesetzes präsentiert. Später wurde dann ein erster Referentenentwurf für die Abstimmung mit den Verbänden vom BMAS veröffentlicht, auch wenn das BMWi diesen Schritt und den Inhalt teils kritisierte.[6] Der Entwurf wird voraussichtlich im März in den Bundestag eingebracht und kann in den Fachausschüssen noch verändert werden. Der bisher bekannte Stand dieses Gesetzes soll zur Grundlage für eine Betrachtung der Unternehmen in Zukunft erwartenden Pflichten dienen.

 

2.1. Anwendungsbereich

 

Der Entwurf des Lieferkettengesetzes sieht vor, dass die Regelung ab 2023 zunächst Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern Anwendung findet und 2024 auch auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erweitert wird. Damit wären ab 2024 ca. 2.900 Unternehmen in Deutschland betroffen.

 

2.2. Die Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht

 

Der Entwurf verlangt von den betroffenen Unternehmen, dass sie die fünf Kernelemente der sog. Menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht erfüllen.

 

Jedes vom Anwendungsbereich umfasste Unternehmen soll danach, wenn es dies noch nicht getan hat, eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte abgeben, in der die Strategie zur Einhaltung der Menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht dargelegt wird.

 

Darauf aufbauend sollen die Unternehmen verpflichtet werden, regelmäßig eine Risikoanalyse durchzuführen, in der die Gefährdung für die am Anfang des Gesetzes aufgezählten Rechte in ihrer Lieferkette abgebildet werden soll.[7] Darunter fallen der Schutz des Lebens und der Gesundheit, der Schutz vor Kinderarbeit, vor Sklaverei-ähnlichen Beschäftigungen und die Gewährleistung von im Wesentlichen sicheren und angemessenen Arbeitsbedingungen.

 

Je nach dem, was eine Risikoanalyse ergibt, sollen die Unternehmen verpflichtet werden, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Als allerletztes Mittel kann nach dem Vorschlag ein Unternehmen auch verpflichtet sein eine Beziehung zu einem Zulieferer abzubrechen, wenn keine andere Möglichkeit der Abhilfe mehr möglich erscheint („Befähigung vor Rückzug“).

 

Damit die Unternehmen früh von potenziellen Gefährdungen der geschützten Rechtsgüter erfahren, sollen sie verpflichtet werden, selbst einen Beschwerdemechanismus einzurichten oder an einem Beschwerdemechanismus teilzunehmen, der z.B. von einer Brancheninitiative wie dem Textilbündnis, angeboten wird. An den Beschwerdemechanismus sollen sich die Beschäftigten entlang der Lieferkette wenden können.

 

Schließlich sollen die betroffenen Unternehmen durch das Gesetz verpflichtet werden, über die Durchführung dieser Maßnahmen jährliche Berichte öffentlich im Internet zugänglich zu machen. Diese Berichte sollen in Zukunft vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausführkontrolle kontrolliert werden.

 

2.3. Reichweite entlang der Lieferkette

 

Die Verpflichtung zur Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht soll nach der vorgestellten Einigung grundsätzlich nur für die erste Stufe (first tier) der Lieferkette gelten, es geht also um die Zulieferer, mit denen die Unternehmen selbst einen Vertrag haben. Ausnahmsweise soll die Unternehmen auch eine Pflicht zur Ergreifung der Maßnahmen der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht auf weiteren Stufen der Lieferkette treffen, wenn ein Unternehmen von substantiierten Anhaltspunkten für Beeinträchtigungen der geschützten Rechte erfahren hat oder es sich um ein Umgehungsgeschäft handelt.

 

Generell sieht der Entwurf vor, dass Unternehmen angemessene Maßnahmen ergreifen müssen. Was angemessen ist, muss im Einzelfall bestimmt werden, richtet sich jedoch maßgeblich nach der Nähe zum betreffenden Lieferanten und dem Einflussvermögen, dass das Unternehmen auf die Situation hat. Zu Beginn des Referentenentwurfs wird klargestellt, dass es sich um eine „Bemühenspflicht“ und keine Erfolgspflicht handelt.

 

2.4. Rechtsfolgen bei Verstößen

 

Bei Verstößen soll das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Zwangs- und Bußgelder verhängen können. Zwangsgeldern bis 50.000 € sieht der Entwurf vor, um Unternehmen zu verpflichten, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Eine Ordnungswidrigkeit begeht ein Unternehmen und muss nach dem Entwurf mit einem am Unternehmensumsatz orientierten Bußgeld rechnen, wenn es Maßnahmen unterlässt oder nicht angemessen erfüllt, ohne die die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht nicht wirksam wahrgenommen werden kann. Ein Unternehmen, dass ein hohes Bußgeld auferlegt bekommen hat, kann auch für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

 

2.5. Schadensersatzansprüche von Betroffenen

 

Entgegen den zuvor geäußerten Forderungen des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil und dem Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, die sich für ein noch strikteres Lieferkettengesetz eingesetzt hatten, wurde in den Entwurf keine besondere Regelung zur zivilrechtlichen Haftung aufgenommen.

 

Das Verständnis dafür, welche Pflichten Unternehmen zur Abwehr von Beeinträchtigungen in der Lieferkette haben, ist für den Ausgang einer entsprechenden Klage entscheidend.[8] Dieses Verständnis der deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflichten kann sich durch die jetzt vorgeschlagenen unternehmerischen Sorgfaltspflichten zukünftig durchaus wandeln. Schadensersatzansprüche sind aber – zumindest zunächst – nur in besonderen Konstellationen denkbar.

 

Der Gesetzesvorschlag sieht jedoch für Klagen von Betroffenen von Menschenrechtsbeeinträchtigungen vor deutschen Gerichten eine Erleichterung vor:[9] Durch die Einführung einer besonderen Prozessstandschaft in der ZPO sollen die Betroffenen in Zukunft NGOs oder Gewerkschaften mit der Rechtsverfolgung in Deutschland betrauen können. Damit sind wohl mehr Klagen von Betroffenen in Deutschland zu erwarten.

 

3. Zwischenfazit

 

Der jetzt vorgelegte Referentenentwurf stellt im internationalen Vergleich das bisher ambitionierteste Lieferkettengesetz dar. Die Reaktionen auf den Entwurf fielen sehr unterschiedlich aus: Während von Seiten von Industrieverbänden beklagt wurde, dass die im „nationalen Alleingang“ vorgesehenen Verpflichtungen deutschen Unternehmen einen hohen Berichtsaufwand auferlegen würden,[10] haderten zivilgesellschaftliche Gruppen vor allem mit dem im Regelfall auf die erste Stufe der Lieferkette großer Unternehmen beschränkten Anwendungsbereich.[11]

 


[1] Abrufbar unter: Guiding Principles on Business and Human Rights (zuletzt abgerufen am 23.2.2021).

[2] Nasse ZEuP 2019, 774.

[3] Walden, NZG 2020, 50, 55.

[4] Pressemitteilung des Rechtsausschusses vom 28.01.2021 abrufbar unter: Lieferketten: Unternehmen für Schäden an Mensch und Umwelt verantwortlich (zuletzt abgerufen am 23.2.2021).

[5] Zu den Ergebnissen des Monitorings: Abschlussbericht des NAP Monitorings (2018 – 2020) abrufbar unter: Abschlussbericht des NAP Monitorings (2018–2020) (zuletzt abgerufen am 23.2.2021).

[6] Der Entwurf des Lieferkettengesetzes mit Stand vom 15.2.2021 13:49 Uhr kann abgerufen werden unter: Referentenentwurf BMAS - Gesetzüber die unternehmerischenSorgfaltspflichtenin Lieferketten (zuletzt abgerufen am 23.2.2021). Zur Kritik des BMWi an dem Vorgehen des BMAS: Die Zeit - Neuer Streit in der Bundesregierung um Lieferkettengesetz (zuletzt abgerufen am 23.2.2021).

[7] Siehe dazu die in § 2 Abs. 2 des Referentenentwurfs aufgezählten Rechtspositionen.

[8] Ausführlich zu den Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung u.a. Bomsdorf/Blatecki-Burgert, ZRP 2020, 42; Habersack/Ehrl, AcP 219, 155.

[9] Zu den bisher bestehenden Hürden bei der Verfolgung von Rechtsschutz in Europa: Marx/Bright/Wouters, Access to legal remedies for victims of corporate human rights abuses in third countries, 2019, S. 18 ff.

[10] So z.B. der Dachverband NORDHANDEL in seiner Stellungnahme.

[11] So die Stellungnahme der Initiative Lieferkettengesetz.

 

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